In der Ukraine herrscht seit dem Angriff der russischen Streitkräfte Krieg. Die ukrainische Regierung und die ukrainischen Streitkräfte verteidigen ihr Land mit allen Mitteln. Auch Drohnenbesitzer wurden nun direkt von der Regierung aufgefordert mitzuhelfen.
Zivile Drohnen haben seit dem Aufkommen der ersten Multicopter im Flugmodellbau in der öffentlichen Wahrnehmung häufig eine Verbindung zu militärischen Kampfdrohnen gehabt. Nun ist es in Europa leider erstmals so weit gekommen, dass diese Verbindung nicht mehr jeglicher Grundlage entbehrt.
In den aktuellen Kämpfen in der Ukraine, begonnen durch den Angriff der russischen Arme am 24. Februar 2022, werden nun offenbar auch zivile Drohnen in der Verteidigung gegen die Angreifer eingesetzt.
Ukrainer sollen Hobby-Drohnen bereitstellen
Das geht zumindest aus einem Facebook-Post des ukrainischen Verteidigungsministeriums (Міністерство оборони України) hervor, der bereits am vergangenen Freitagmorgen veröffentlicht wurde.
In dieser Nachricht ruft das Militär die Bewohner rund um die Hauptstadt Kiev dazu auf, ihre vorhandenen Drohnen für die Verteidigung der Stadt bereitzustellen. Um und in Kiev toben seit einigen Tagen schwere Kämpfe. Es gibt Ausgangssperren für die zivile Bevölkerung.
In dem Facebook-Post heißt es (übersetzt): „Hast du eine Drohne? Gib sie an erfahrenen Piloten weiter! Kannst du eine Drohne steuern? Schließen dich der gemeinsamen Patrouille mit Einheiten der 112. Separaten Brigade der Territorialverteidigung von Kiew an! Kiew ist unsere Heimat, sie zu verteidigen ist eine gemeinsame Aufgabe!“ – Міністерство оборони України via Facebook.
Danach folgt eine Liste an geforderten Informationen, mit der sich die Menschen an die ukrainische Regierung wenden sollen, wenn sie in dieser Form unterstützen können:
- Der Bereich in der Stadt, der erreichbar ist (frei übersetzt)
- Das Level der eigenen Flugerfahrung mit Drohnen
- Falls vorhanden: Art der Drohne
- Anzahl der zugehörigen Flugakkus
- Ob bereits in der Arme gedient wurden (und wenn ja: wann)
- Kontakdaten
Der Kontakt läuft offenbar unter anderem über Facebook Messenger. Andere Nutzer bieten ihre Hilfe direkt in den Kommentaren unter dem Post an, wiederum andere wenden sich per SMS an die Behörde.
Aufklärung mit zivilen Drohnen?
Den genauen Einsatzweck für die zivilen UAVs nennt die Behörde – wahrscheinlich alleine schon aus taktischen Gründen – nicht. Es ist aber wohl davon auszugehen, dass die Drohnen unter anderem zur Verbesserung der Lageübersicht vor Ort verwendet werden. Auch auf kurzer Strecke können Hobby-Drohnen hier sicherlich einen wichtigen Teil dazu beitragen, wenn es um die direkte Erkundung nicht einsehbarer Gebiete geht.
Über Verwicklung und Modifizierung von Drohnen zu Waffen gibt es bis jetzt keine Berichte. In anderen Konflikten, ist dieses aber ebenfalls bereits vorgekommen.
Wie viele Menschen den Aufruf gefolgt sind und wie viele Drohnen dieser Art es überhaupt in Kiev gibt, ist unbekannt. Auch über den konkreten Einsatz von zivilen UAVs wurde bisher noch nicht direkt berichtet. Solche Berichte ließen sich – wie die meisten Kampfhandlungen derzeit – aber wohl ohnehin nicht unabhängig verifizieren.
Nutzer weisen auf Gefahren hin
Verschiedene Nutzer aus der ganzen Welt unterstützen den Aufruf. Es wurde aber auch gleichzeitig auf potenzielle Gefahren hingewiesen, die diese Form von militärischen Einsätzen von zivilen Drohnen mit sich bringt.
Das Wichtigste vorab: Die meisten Funkprotokolle sind nicht verschlüsselt. Dieses Feature findet sich bei den bekannten Drohnenherstellern erst im Enterprise-Segment. Potenziell kann die Datenverbindung zwischen Drohne und Pilot also mitgelesen werden. Auch ist eine feindliche Übernahme der Kontrolle über eine Drohne nicht völlig ausgeschlossen – auch wenn es dazu in letzter Zeit keine direkten Hinweise gab.
Außerdem weisen viele Kommentatoren darauf hin, eventuell auf der Drohne vorhandenes Foto- und Videomaterial zu löschen, sodass bei einem Verlust der Drohne die aktuelle Position (oder zumindest das Gebiet) des Piloten unbekannt bleibt.
Sofern vor Ort überhaupt noch eine Internetverbindung besteht, kann bei manchen Drohnen außerdem ein „Local Data Mode“ aktiviert werden (mehr dazu hier), der dafür sorgt, dass auch bei zivilen Drohnen keine externe Kommunikation mit Servern des Herstellers stattfindet. Auch eventuelle Cloud-Syncs der Flughistorie sollten wohl unbedingt deaktiviert werden.
Natürlich bleibt natürlich immer noch das Abfangen der Drohnen durch mechanische Geschosse oder aber durch elektromagnetische Waffen oder Störsender. Auch besteht die Möglichkeit, dass die Drohnenhersteller das Gebiet rund um die Kampfregionen (oder im ganzen Land) als No Fly Zones in ihrer Geo Fencing Karte markieren. Dann könnten Drohnen nicht mehr abheben. Natürlich müsste dafür zunächst die aktuellste Version einer solchen Karte in die Drohne geladen werden.
Auf einem ganz anderen Blatt Papier steht, welche Folgend ein solcher Schritt beispielsweise für den chinesischen Drohnenhersteller DJI in den USA hätte. Dort sind die Beziehungen zur US-Politik ohnehin schon stark strapaziert und ein Hindern der Ukrainer an der Verwendung von DJI Drohnen könnte von den westlichen Ländern als Unterstützung Russlands aufgefasst werden. Das gilt natürlich für alle anderen Drohnenhersteller in ähnlicher Weise.
Am Ende sind das aber theoretische Bewertungen aus der Ferne, von Menschen, die aktuell das Privileg haben, nicht über Nacht in einem Kampfgebiet aufgewacht zu sein. In erster Linie geht es bei dem Aufruf der ukrainischen Armee wohl um Pragmatismus. Diese möglichen Gefahren, werden in der aktuellen Situation von den meisten Menschen, die mutig vor Ort ihre Drohne oder ihr Können bereitstellen, sicher billigend in Kauf genommen, um ihr Land gegen die Angreifer zu verteidigen.